In diesem Oneshot liest du, wie sich die fünf Protagonisten Theo, Matt, Tom, Noah und Sebastian kennengelernt haben.
Triggerwarnungen: Alkohol
Tom
Jeanine, Janina, Jennifer… Scheiße, ich bin mir nicht mehr sicher, wie das Mädchen heißt. Mich hat das viel zu sehr abgelenkt, wie die hier ihre Caipirinhas zubereiten. Die nehmen einfach normalen Zucker und Vodka! Was ist das bitte?! Schmeckt ja grässlich.
»Ich dachte jedenfalls, dass wir heute vielleicht ins Kino gehen könnten.«, sagt sie und spielt nervös mit ihrem Armband herum. Das Teil steht ihr ja überhaupt nicht. Jedenfalls nicht, nachdem ich weiß, zu welch schmutzigen Dingen sie bereit ist. Rosafarbene Perlen und ein Herzanhänger. Das impliziert doch, dass sie ein richtig braves und süßes Mädchen ist. Aber falsch gedacht. Diese Frau ist ein kleiner Freak – und sogar mir zu viel.
Naja, aber vielleicht wäre es sogar ganz nett, es noch ein paar Mal mit ihr zu tun. Nur zeigt sie jetzt schon, dass sie anhänglich wird, und so etwas geht mir auf die Nerven.
»Schau mal, ich denke nicht, dass das gut ist. Ich habe kein Interesse an etwas Langfristigem und-«
»Warte, was?!«, unterbricht sie mich entsetzt und starrt mich mit offenem Mund an. Was für eine Scheiße. Da will man einfach nur direkt sein, um es ihr nicht allzu schwer zu machen, und sie startet ein Theater. Kann denn nicht eine einzige Frau auf diesem Planeten an ihrem eigenen Wort festhalten?! Gestern hieß es noch, dass ungezwungener Sex kein Problem für sie sei!
Nach ein paar Sekunden der unangenehmen Stille fahre ich fort: »-du scheinst anhänglich zu werden. Also lass es uns am besten jetzt beenden, okay?«
Erst dachte ich noch, ihr Gesicht könnte nicht mehr wilder aussehen, da entgleist ihr die Mimik gleich noch ein wenig mehr. Ihr Auge beginnt sogar zu zucken.
Die Situation ist so unangenehm, dass ich innerlich die Sekunden zu zählen beginne. Um uns herum ist das Geklapper von Gläsern zu hören. Vielleicht von dem schwarzhaarigen Typen mit dem tätowierten Arm. Der sieht aus, als müsste er heute so einigen Frust ersaufen und hat bestimmt so einiges bestellt.
»Du spinnst doch!«, kreischt sie plötzlich und steht so abrupt auf, dass ihr Stuhl beinahe nach hinten kippt. »Wie kannst du mir so etwas nur antun?! Ich werde anhänglich?! Dein verdammter Ernst?!« Natürlich fängt sie jetzt auch noch an zu heulen. Mir bleibt echt nichts erspart.
»Ach Jeanine, komm schon. Gestern hast du noch-«
»Ich heiße Jasmine!«, schreit sie mich an. Daraufhin ist es so still, dass man eine Nadel zu Boden fallen hören könnte. (Ach stimmt ja, da war ein S drin…)
»Dann eben Jasmine.«
Sie gibt ein seltsames Krächzen von sich und stürmt aus dem Lokal. Wischt sich noch mit der Hand über das Gesicht und ist weg.
Hey, Moment mal. Jasmine hat nicht für ihren Drink bezahlt!
Hinter mir höre ich jemanden lachen. Ich drehe mich nicht um, weil ich keinen Bock drauf habe, mir jetzt gleich eine Moralpredigt zu geben. Aber wer immer das ist, er lässt nicht locker. »Hey!«, ruft er lachend. »Tu nicht so. Ich weiß genau, dass du mich hörst. Wenn du dich nicht umdrehst, komm ich zu dir rüber.«
Augenrollend drehe ich mich um. Unter anderen Umständen fände ich ihn vielleicht sogar sympathisch. Dunkelblonder Typ mit länglichem, kantigem Gesicht, sportlichem Körper und einem selbstgefälligen Grinsen, das selbst mir noch Konkurrenz machen könnte. Wäre bestimmt lustig, mit ihm durch die Clubs zu ziehen und Mädels zu klären. Ein richtiger Sunnyboy.
Er hebt sein Glas, um mir zuzuprosten. »Glückwunsch. Das ist die beschissenste Art, eine Frau abzuservieren, die uns je untergekommen ist.« Damit meint er sich und den Blonden, mit dem er hier ist. Noch so ein richtiges Model. Und der kommt mir sogar irgendwoher bekannt vor.
Ich überlege ernsthaft, ob ich mich mit ihnen anfreunden sollte. Wäre zur Abwechslung mal nett, wieder jemanden zu haben, mit dem man sich über solche Sachen austauschen kann. Die letzten Freundschaften sind ja in die Brüche gegangen, weil ihnen nicht gefallen hat, dass ich mich nicht festlegen will.
»Wir sollten ihm nen Drink ausgeben. Er sieht aus, als könnte er ihn vertragen.«, kommt von einem Dunkelhaarigen am anderen Ende der Theke. Hey, der hat sich zu dem mit den Tattoos gesetzt. Shit, hat der stechend helle Augen. Sieht man selten.
»Dem kann ich nicht widersprechen.«, sage ich und quäle mich vom Stuhl hoch, um zu den zwei Blonden zu gehen. Die anderen beiden schließen sich mir dabei gleich an, wobei der mit den Tattoos zuerst noch dramatisch seufzt. Er scheint auch nicht grade einen guten Tag zu haben. »Was ist euer Grund, hier zu sein?«
»Viel wichtiger; was ist deiner? Konntest du keine schlimmere Absteige finden, um Schluss zu machen?«, fragt mich der Sunnyboy belustigt.
»Ist es denn ein Schluss machen, wenn nur einmal was lief?«
Er verzieht das Gesicht und zischt. Ihm wird bestimmt gerade bewusst, wie unnötig das Theater von Jasmine war.
»Die werf ich aus dem Bett und gut ist. Danach hat sie eh keinen Bock auf mehr von mir.«, meldet sich der zweite Blonde schulternzuckend zu Wort.
»Du bist ja auch ein Herzchen.«, erwidert der andere. Ist wohl deren Love Language, sich gegenseitig aufzuziehen.
»Ihr kennt euch also schon länger?«, frage ich.
»Oh, länger ist ein Hilfswort. Sind zusammen groß geworden. Schule, beste Freunde, volles Programm. Aber du siehst ja, dass man ihn einfach lieb haben muss. Ich bin übrigens Noah, und er ist Sebastian.« Zu meiner Überraschung reicht mir ausgerechnet Sebastian als erstes die Hand. Dabei wirkt er recht abweisend.
»Thomas. Aber nennt mich Tom.«, stelle ich mich vor und dann tun es uns die anderen beiden gleich. Der mit den Tattoos heißt Matt, der andere Theo.
»Um die Frage zu beantworten… Wir wollten einfach mal was Neues ausprobieren. Zeigt sich, dass das wohl ne gute Entscheidung war.«, grinst Noah und deutet dem Barkeeper, um für uns alle zu bestellen. Keine Ahnung, was er ordert – ich höre gar nicht hin, weil ich in der Hinsicht nicht allzu wählerisch bin.
»Ich bin neu in der Stadt.«, erklärt Theo und danach sehen wir alle zu Matt, weil er bisher noch gar nichts außer seinem Namen gesagt hat. Als ihm das auffällt, schnaubt er demonstrativ.
»Ich will einfach nur meinen Frust ersaufen.«
»Lass mich raten. Irgendwas mit ner Rockband?«, will Noah wissen.
Damit hat er wohl mitten ins Schwarze getroffen. Matt blickt ihn überrascht an. »Woher…?«
»Ach komm schon. Ein Vogel, Rosen und brennende Herzen? Wie viele Klischees willst du mit deinen Tattoos denn erfüllen?«, lacht der Blonde. Weil er das so sagt, sehe ich mir den Arm des Dunkelhaarigen direkt genauer an. Er hat recht. Ist mir gar nicht aufgefallen. Noah hat echt ein gutes Auge für Details.
Der Rocker blickt auch auf seinen Arm und murrt nur düster. »Wenn du ne Idee für was weniger Klischeehaftes hast, dann nur her damit.«
»Was ist passiert?«, fragt Theo ihn. Stimmt, da war ja eigentlich was.
»Ich hab mal wieder Stress mit dem Sänger. Er will keinen einzigen meiner Songs versuchen, aber wenn wir ununterbrochen Coverversionen aufnehmen, werden wir es nie schaffen. Es gibt da draußen so viele Bands, die genau das machen. Hin und wieder ein eigenes Stück würde nicht schaden.«
»Vielleicht will er seine eigenen Songs versuchen?«
Er schüttelt den Kopf. »Der schreibt nicht. Manchmal glaube ich, dass er es einfach nicht riskieren will, auf Tour zu gehen. Vielleicht will er seiner Freundin einen Antrag machen, was weiß ich denn.« Gerade im richtigen Moment bringt der Barkeeper die Getränke und er langt direkt zu, um seinen Frust weiter zu ertränken.
Noah wartet extra, bis er das Glas auf einen Zug geleert hat, dann bestellt er seelenruhig einfach den nächsten Drink für ihn. »Ich würde ja sagen, scheiß auf den und zieh dein eigenes Ding durch. Dürfte ja nicht so schwer sein, ne eigene Band zu gründen, wenn man Songs schreiben kann.«
Theo starrt seinen Drink an und ich frage mich, ob er so energisch zuhört, oder er stattdessen auszublenden versucht, worüber gerade geredet wird.
»Hm. Ist nicht so, als hätte ich nicht schon drüber nachgedacht. Aber ich bin so perfektionistisch, dass ich sicher keinen finden werde, der so singt, wie ich das will.«
»Kannst du selbst singen?«
»Na klar, ich singe jeden Song selbst ein, um ein Beispiel zu haben.«
»Wo ist dann das Problem?«, fragt Noah und sieht sich lachend in der Runde um. »Oder bin ich der Einzige, der es nicht versteht?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, klingt, als hätte er die Lösung schon längst.«, stimmt Theo zu. Ah, er hört ja doch zu.
Schlagartig wirkt der angehende Rockstar ruhiger und kratzt sich an seinem überwucherten Kinn. Der Busch hat echt dringend ein paar Pflegeprodukte nötig. Sieht ja furchtbar aus. »Ich könnte euch ja was vorspielen, aber um die Zeit ein Taxi zu kriegen…«
Noah winkt direkt ab. »Ach, Bastian schickt nur ne kurze Nachricht und schon kommt wer und holt uns ab.«
»Öhm… okay…?« Die zwei dunkelhaarigen blinzeln Sebastian neugierig an und mir fällt es soeben wie Schuppen von den Augen. Jetzt weiß ich, woher ich ihn kenne!
»Du bist Knight, oder?«, frage ich.
Er ist nicht sonderlich überrascht von der Frage – im Gegensatz zu Matt und Theo, die erstaunt die Köpfe zu mir drehen. Noahs Grinsen wird ein wenig breiter.
»Ja.«
Ich nicke. Hat einen Moment gedauert, aber dann ist mir wieder diese verrückte reiche Familie eingefallen, die in ihrem riesengroßen Eingangsbereich ein Porträt von sich hat aufhängen lassen. Richtig spießig, wenn man mich fragt. »Mein Dad hat das Ferienhaus deiner Familie entworfen.«
Noah gibt ein lautes Lachen von sich. »Welches?«
Matt und Theo murmeln irgendwas miteinander. Vermutlich, ob sie wissen, wer das sein soll, aber beiden sagt der Name nichts. Kein Wunder, denn die Knights haben gerne ihre Ruhe, so weit ich das durch den Auftrag meines Vaters mitbekommen habe.
»Na dann… Ich würde sagen, wir wechseln den Ort zu etwas Spannenderem.«, schlägt Noah vor. Für ihn scheint die Situation ja bloß ein ganz gewöhnlicher Freitagabend zu sein.
Es kommen ernsthaft zwei Wagen, die uns holen und zu der Adresse bringen, die Matt vorgibt. Nicht, dass es großartig relevant wäre, aber ich bin neugierig. Also frage ich die anderen, was sie eigentlich beruflich machen.
Theo ist nach Ende seines Studiums kürzlich neu in die Stadt gekommen, um sein eigenes Filmstudio zu gründen. Er muss sich noch nach einem Büro umsehen und einen Assistenten einstellen, steht also noch ganz am Anfang. Noah studiert Sportwissenschaften und Psychologie, Sebastian wiederum Wirtschaftswissenschaften.
Ich selbst beende bald mein Architekturstudium, weil mein Vater sich in den Kopf gesetzt hat, dass ich in seine Fußstapfen zu schlüpfen habe. Ein großartiges Mitspracherecht hatte ich dabei nie. Aber ich werde das alles wenigstens anders angehen. Ich habe keine Lust darauf, ein Einzelkämpfer zu sein und will meine eigenen Leute haben, die für mich arbeiten.
Matt scheint wirklich alles auf eine Karte zu setzen – er hat kein Studium begonnen und hält sich mit irgendwelchen Aushilfsjobs über Wasser. Kurz lässt er auch was darüber fallen, dass er eine kleine Schwester hat, für die er zu sorgen hat, aber das handelt er so schnell ab, dass niemand von uns nachfragt. Scheint ein empfindliches Thema für ihn zu sein.
Unterm Strich könnten wir fünf also kaum unterschiedlicher sein.
Aber irgendwie stimmt die Wellenlänge.
Ja, ich denke, dass ich hier wirklich neue Freunde gefunden habe. Da hat es ja doch was für sich gehabt, diesen schrecklichen Caipirinha auf mich zu nehmen.