Love Meets… Oneshot: Es weihnachtet sehr…

Weihnachten

In diesem Oneshot liest du, wie Theo & die Jungs ihr erstes gemeinsames Weihnachtsfest einleiten.

Triggerwarnungen: Alkohol, Schimpfwörter


Theo

»Das ist das Dümmste, das ich je gesehen habe. Wie kann man sich nur einen Baum auf den Balkon stellen?! Was, wenn der dann vollgeschneit wird?« Alle Köpfe drehen sich in Toms Richtung um, und er zuckt mit seinen Schultern, hat dabei eine Unschuldsmiene sondergleichen aufgesetzt. »Was ist?!«

»Ist das jetzt echt dein Ernst?«, kommt von Noah, und schon gibt Matt ein bitteres Lachen von sich. Allzu lange kennen wir uns alle noch nicht, aber diese Stimmlage kennt wohl jeder von uns. Noah kann eine ganz schöne Zicke sein, wenn etwas nicht nach seiner Pfeife läuft.

»Ja, hast du ein Problem damit?! Sieht doch einfach scheiße aus!«

»Das ist total weihnachtlich!«

»Mein Gott, wie kitschig der Typ ist…«

»Hey, ich hab dich gehört!«

»Kannst du ruhig! Sicher, dass du nicht auf Männer stehst?!«

»Oh bitte.«, kommentiert nun Sebastian, der sich ja fast noch weniger zu Wort meldet als ich. Aber wenn er etwas sagt, dann meist, weil ihn etwas tierisch nervt. »Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Dann gefällt ihm das eben – und dieser Familie da drüben. Musst du ja nicht nachmachen.« Tom scheint einen seltsamen Respekt ihm gegenüber zu haben. Bei Noah hätte er schon wieder irgendeine Erwiderung gebracht, in dem Fall rümpft er nur die Nase, verschränkt die Arme, und murmelt etwas, das keiner versteht.

Mein Blick wandert zurück zu dem Meer aus bunten Kugeln, Lichterketten und glitzernden Girlanden. Dafür, dass er dieses Jahr angeblich seinen ersten eigenen Baum dekoriert, hat er echt nichts ausgelassen. Sonst reicht ihm anscheinend immer der im Elternhaus von Bastian – der misst ja auch nur knapp drei Meter.

»Okay Leute, wir haben eine Mission zu erfüllen. Können wir also wieder zum Wesentlichen zurückkommen?«

»Ich mache Fotos, wenn das Ding fertig ist.«, stelle ich gleich mal klar. Jetzt bin ich derjenige, der einen ernüchterten Blick von Noah zugeworfen bekommt.

»Was seid ihr nur alles für faule Säcke.« Er dreht sich in Richtung Baum und hängt eine Kugel in Größe einer Mango auf. »Spielt sich auf, als wäre er der größte Fotograf überhaupt, während er dumme kleine Filme macht. Als juckt das irgendwen.« Natürlich will er, dass das jeder hört. Sein Kopf wandert zurück in meine Richtung. »Hast du deine Aufrufzahlen schon mal gesehen? Richtig traurig. Niemanden jucken die Themen, die du vermitteln willst.«

»Das kommt schon noch. Ich bin zuversichtlich.« Mich kann er nicht aus der Ruhe bringen. Anders als Tom gehe ich nicht auf seine Provokationen ein. Aber ich muss zugeben, dass ich sie meist ziemlich amüsant finde.

»Ich sehe schon, es weihnachtet sehr…«, brummt Matt und greift nach einer der kleineren Kugeln.

Schon kreischt Noah los: »Pass auf die auf, die sind von meiner Oma!« Panisch versucht er, die antiken Teile aus Matts ungeschickten Pratzen zu retten.

Mir schlägt jemand an die Schulter und als ich die Quelle suche, entdecke ich Tom, der mich gefrustet mustert. »Was ist?«

»Hilf mir doch mal. Diese dämliche Lichterkette ist total verworren und Bastian rührt keinen Finger.«

»Hast du ihn überhaupt gefragt?«

»Nein.«

Bevor ich noch was sagen kann, kommt von dem aber auch schon: »Vergiss es.«

»Was sind wir nur für eine Truppe…«, schnaube ich kopfschüttelnd und versuche, die Knoten der Girlande zu lösen. Ist aber leichter gesagt, als getan.

Kaum beschäftige ich mich ein wenig eingehender damit, lässt Tom das ganze Knäuel auf meinen Schoß fallen. »Super, wenn du dich darum kümmerst, bin ich mal eben in der Küche.«

»Schon wieder?!«, ruft Noah genervt und sieht ihm hinterher, als wäre er eine betrogene Ehefrau. »Wir hatten wegen dir grade erst Pizza, jetzt frisst du schon wieder?!«

»Die Kekse sind halt einfach geil, was soll ich machen.«

Ich kommentiere das lieber gar nicht, einfach Augen zu und durch. Man mag es bei diesem Kindergarten gar nicht glauben, aber wenn es darauf ankommt, halten wir einfach zusammen. Es passt einfach zwischen uns, und als Noah diese Idee ausgebrütet hat, ist auch sofort klar gewesen, dass jeder mitmachen wird. Nur eben auf seine Weise. In ein paar Jahren werde ich sicher an dieses Weihnachten zurückdenken und mich an diesen Moment unter uns Jungs besser erinnern als an das jährliche Fest mit meinen Eltern. Einfach, weil es etwas Besonderes ist.

Keine fünf Minuten später kommt er auch schon zurück und füttert uns alle mit den bunten Plätzchen. Es sind sieben verschiedene Sorten und er bringt eine ordentliche Ladung mit. Sogar Noah lässt sich nun ohne weiteres Meckern von ihm bezirzen und bedankt sich sogar noch für die süße Kleinigkeit.

»Wer hat die eigentlich gemacht?«, erkundige ich mich, weil das völlig an mir vorbeigegangen ist. Irgendwer hat sie mitgebracht, sieben riesengroße Dosen voll.

»Meine Mutter.«, erwidert Sebastian, was mich erstaunt.

»Echt?«, fragt auch Tom, der sich in einen Sessel neben mir fallen lässt, während er den noch immer halbvollen Teller geschickt balanciert. »Die backt selbst? Habt ihr nicht ungefähr vierzig Hausangestellte oder so?«

»Zehn.«, korrigiert er. »Wobei… Elf mit Kehlani.« Das Kindermädchen von seinem kleinen Bruder, der das Down-Syndrom hat. Blöderweise ist er geistig auch ziemlich zurückgeblieben, wodurch er sich laut Noah benimmt, als wäre er acht. Eine eigene Betreuung macht da durchaus Sinn, wenn man sich das leisten kann.

»Und die Personal Shopperin.«, kommentiert Noah von hinter dem Baum, weil er gerade eine neue Kugelkette legt. Die Reihenfolge, in der er dabei vorgeht, erschließt sich mir auch nicht so ganz.

»Willst du die Lichterkette als nächstes? Ich hab die gleich entknotet.«, sage ich.

»Da haben wir richtig gut zusammengearbeitet!«, ruft Tom, was mir nur ein müdes Lächeln auf die Lippen zaubert. Am liebsten würde ich ihm jetzt den Mittelfinger zeigen, aber meine Finger sind beschäftigt. Es ist immer dasselbe mit ihm. Als wäre er geboren, um andere zu ärgern. Aber das ist eben seine Art, die Situationen aufzulockern. In einem sentimentalen Moment habe ich ihn dafür wieder richtig lieb.

Noah schnappt sich ein Ende der Kette und wir fangen zu zweit an, sie um den Baum zu wickeln. Matt hängt einfach weiter unbeirrt irgendwelche Kugeln dran.

Nach einer Weile kommt mir das Ganze ziemlich seltsam vor. »Hey, sag mal… Hast du da echt eine normale Lichterkette oder so ne Lichtschlange? Was ist mit dem Teil, die Dinger sind doch nicht dazu gedacht, sich selbst zu umarmen!«

»Oh süß, genau das machst du jede Nacht.«, kommentiert Tom mit vollem Mund.

Seinen dämlichen Kommentar ignorierend versuche ich die Lichterkette zu entwirren, aber sie verheddert sich immer wieder.

»Moment mal, ich habe die Anleitung gefunden!«, redet er weiter, und nun sehr ich zu ihm rüber, da er sich doch scheinbar mal richtig einbringt. »Hier steht: Um den Baum wickeln, ohne dabei wie eine Mumie auszusehen.«

»Was zur Hölle… Das steht doch nicht wirklich da.«

Von Noah kommt ein lautes Lachen. »Als gäbe es Anleitungen für so Teile. Er sucht sich doch sicher nur das nächste Opfer, das er flachlegen wird.«

»Oh ja, genau das mache ich.«

»Wusst ich’s doch. Hey, vielleicht sollten wir einfach den Baum drehen, dann wickelt sich die Kette von selbst drumherum!«, schlägt Noah vor und geht schon in die Knie, um genau das in die Tat umzusetzen.

»Bitte werft ihn nicht um.«, murrt Matt unzufrieden, aber ich versuche nur noch das Beste aus der Situation zu machen. Der Vorschlag des Blonden hört sich auch sehr viel leichter an, es ist mehr ein wackeliger Tanz als ein ordentliches Umwickeln.

Als wir fertig sind, betrachten wir das Ergebnis und Sebastian beginnt auf einmal zu lachen. »Das sieht aus, als hätte der Weihnachtsmann nach ein bisschen zu viel Eierpunsch versucht, Breakdance zu machen.«

»Du meinst, weil er deinen scheiß Hardstyle so geil findet? Träum weiter.«, antwortet Matt ganz trocken, was uns andere wie so oft zum Lachen bringt. Sebastian für seinen Musikgeschmack zu dissen, geht einfach immer.

»Vielleicht sollten wir sie nochmal abwickeln und einfach draufwerfen. Vielleicht entwirrt sie sich dabei ein wenig.«, schlage ich vor und nach einem tiefen Durchatmen fängt Noah an, das Ding von den einzelnen Ästen zu holen. Es dauert echt lange, aber diesmal sieht es halbwegs in Ordnung aus. Und dann verschwindet er kurz in seiner Abstellkammer.

Ich sehe Matt dabei zu, wie er einen grünen Tannenzapfen nimmt und ihn zwischen ein paar bunte Figuren hängt. Vermutlich gibt es keinen Schmuck, den Noah nicht hergeholt hat. Da sind Sterne, Kugeln, alle möglichen Formen und sämtliche Farben des Regenbogens drauf.

»Wo bleibt Noah?«, fragt Tom, der sich die Brösel von der Hose wischt und nun tatsächlich auch mal anfängt, sich nützlich zu machen. Er greift in die Dosen mit den Kugeln, befestigt Haken dran und reicht sie weiter an Matt, der echt darin aufgeht, einen Platz für jede einzelne zu finden.

»Ich seh mal nach ihm.« Immer dem Lärm nach – und den gelegentlichen Fluchen. Noah hängt so halb in einem winzig kleinen Raum neben der Treppe. Seine Einbauschränke sehen so aus, als wären das bloß Möbelstücke, dabei liegt hinter einer Tür wesentlich mehr Stauraum als bei den anderen der Fall ist. »Hey, pass auf, dass du da drin keine Stauballergie kommst.«

»Sehr witzig.«, schallt es zurück. »Aber ich glaube, ich hab hier etwas Interessantes gefunden. Ich muss es nur freiräumen!«

Kurz schaue ich zu den anderen Jungs und zucke mit den Schultern, weil Sebastian auch schon neugierig um die Ecke blickt. »Hoffentlich nichts, was den Baum sprengen wird.«, sagt er.

»Wenn du denkst, dass wir einen riesigen Weihnachtsmann aufstellen sollten, dann bin ich raus.«, kommt von Matt – wem sonst.

»Gute Idee, aber dann eher einen Pappaufsteller von dir, du Rockstar! Wir färben einfach deinen Bart weiß und setzen dir ne Mütze auf, das wird richtig süß.« Tom lacht über seinen eigenen Witz.

»Bloß keine Ideen liefern.«, ermahne ich sie. »Der Baum ist schon ein Kunstwerk an sich.«

In dem Moment richtet sich Noah auf, mit einem völlig begeisterten Gesichtsausdruck, einem Staubwedel in einer Hand und ein paar zusätzlich glänzenden Ornamenten in der anderen. »Schaut mal, was ich gefunden habe!«

Tom und Matt, die gerade eine kleine Diskussion über den besten Platz für den Stern auf der Baumspitze führten, unterbrechen ihre Debatte und sehen sich die neuen Dekorationen an.

»Das könnte echt gut dazu passen.«, sagt Sebastian und kommt nun sogar rüber, um ihm die Dinger abzunehmen. Ich glaube, ich sehe nicht richtig…?!

»Definitiv!«, stimmt Noah zu, als wäre das nichts weiter, und wirft den Staubwedel in den Raum zurück, um die Tür davon mit dem Fuß zuzuschubsen. »Ich sagte doch, ich finde etwas Cooles!« Er strahlt über das ganze Gesicht. Das ist es also, was Matt und Tom immer meinen, dass die beiden zeitweise wie richtige Brüder wirken. Habe ich bislang auch noch nicht miterlebt, aber hey, sie haben recht.

Der Baum nimmt langsam Form an, die Lichterketten entwirren sich, die Kugeln finden ihren Platz, und die Girlanden schlingen sich um die Äste. Trotz des Chaos und der kleinen Sticheleien haben wir es geschafft, gemeinsam etwas echt Schönes zu schaffen.

»Hey, wir sollten echt ein Foto machen, um diesen Moment festzuhalten.«, sage ich und hole schon mein Handy raus.

Sofort drängen wir fünf uns eng zusammen, um sicherzustellen, dass der prächtige Baum gut auf dem Bild zu sehen ist. Unsere Köpfe sind dicht beieinander, unsere Schultern berühren sich, und wir lachen und scherzen miteinander, während wir uns arrangieren, um alle draufzupassen.

Ich stehe in der Mitte, mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen, das kein bisschen gekünstelt ist, und halte das Handy mit ausgestrecktem Arm hoch. Wie immer in so einem Fall ist mein Blick konzentriert auf den Bildschirm gerichtet, während ich versuche, den perfekten Winkel zu finden.

Matt und Tom stehen direkt neben mir, mit geneigten Köpfen, um ein wenig Platz zu schaffen. Tom zeigt mit seinem typisch breiten Grinsen auf eine besonders glitzernde Kugel und kommentiert etwas Lustiges, das uns alle zum Lachen bringt. Auf der anderen Seite stehen Noah und Sebastian, die Schultern eng aneinander gelehnt.

Trotz des Gedränges und der Enge spürt man die Verbundenheit zwischen uns allen, und wie tief diese Freundschaft geht, die für uns alle wohl das beste Weihnachtsgeschenk in diesem Jahr ist. So unbeschwert habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

Kaum merkt der Spaßvogel, dass ich ein paar Fotos gemacht habe, geht es los: »Und jetzt alle: Noah stinkt!«

»Hey!«, brüllt der und schlägt mit der Hand nach ihm aus, was das pure Chaos auslöst. Unabsichtlich komme ich noch einmal am Display an den Knopf und mache auch davon ein Bild, aber es fängt den Geist dieser Gruppe so gut ein, dass ich gar nicht daran denke, es zu löschen.